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Das Gesetz „Unterstützte Beschäftigung“ und dessen Umsetzung

Hinweis: Im folgenden Text wird teilweise noch auf veraltete Gesetzesgrundlagen u.a. der Maßnahme "Unterstützte Beschäftigung" (§ 38a SGB IX) verwiesen (UB), da sich die folgenden Ausführungen überwiegend auf die Zeit vor 2018 und die Anfangsphase der Maßnahme UB beziehen. Die aktuelle gesetzliche Grundlage für die Maßnahme UB findet sich in § 55 SGB IX. Daher wird in der Regel die Schreibweise § 38a/55 SGB IX genutzt. Bitte beachten Sie auch unseren Hinweis in den Meldungen.

 

Ausgehend von den langjährigen, an einigen Standorten in Deutschland gemachten positiven Erfahrungen einzelner Anbieter mit dem Konzept Unterstützte Beschäftigung (UB), hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit dem Gesetz zur Einführung „Unterstützter Beschäftigung“ vom 22.12.2008 mit § 38a SGB IX (alte Fassung; seit 2018: § 55 SGB IX) einen neuen Leistungstatbestand verankert.

 

Das Gesetz zur Einführung "Unterstützter Beschäftigung" ist nach längerer Diskussion zwischen Bund, Ländern, Leistungsträgern, Politik und Verbänden Ende Dezember 2008 in Kraft getreten. Nach der Zustimmung des Bundesrates am 19.12.2008 sind keine weiteren Änderungen eingefügt worden.

 

Mit dem Gesetz gehören zugleich ausgelagerte Berufsbildungs- und Arbeitsplätze zum Angebot der WfbM. Die ausgelagerten Arbeitsplätze werden zum Zwecke des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und als dauerhafte Plätze angeboten (vgl. § 219 Absatz 1 SGB IX).

 

Zugleich wurde der Anteil des Aufkommens an der Ausgleichabgabe aufgrund der UB-Einführung ab 2009 zugunsten der Länder um 10 Prozentpunkte erhöht (das sind für 2009 ca. 50 Mio Euro). Damit soll sicher gestellt sein, dass die Integrationsämter die UB im Rahmen einer erforderlichen Berufsbegleitung im Arbeitsleben als Pflichtleistung ausreichend finanzieren können (Hinweis: UB nach § 38a SGB IX ist damit zweite Pflicht-Leistung des Integrationsamtes neben der Arbeitsassistenz nach § 102 Absatz 4 SGB IX und hat somit Vorrang vor Kann-Leistungen; vgl. § 17 Absatz 1b der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung - SchwbAV).

 

 

Das Gesetz „Unterstützte Beschäftigung“ und seine Zielsetzung

„Unterstützte Beschäftigung“ nach § 38a/55 SGB IX steht seit Anfang 2009 für behinderte Personen bundesweit zur Verfügung,

  • die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben,
  • aber nicht das besondere Angebot der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) benötigen
  • und einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz anstreben.

 

Zur Frage der Definition der Zielgruppe der Maßnahme UB sei verwiesen auf eine Aussage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS): „Der Gesetzgeber hat auf eine präzise, ausgrenzende Definition des Personenkreises – etwa auf den Kreis schwerbehinderter Menschen - verzichtet. Die Rechtsanwendung bleibt (…) einer Konkretisierung durch den Leistungsträger überlassen. Behinderte Jugendliche mit Lernbehinderung zählen somit auch potenziell zur Zielgruppe UB“ (Wolfgang Rombach: Unterstützte Beschäftigung - ein neuer Leistungstatbestand des Rechts der Teilhabe am Arbeitsleben (§ 38a SGB IX). In: Die Sozialgerichtsbarkeit, Ausgabe 02/2009 - SGb 02/09, S. 63).

 

In der Gesetzesbegründung wird die Zielgruppe etwas näher beschrieben: „UB ist eine neue Möglichkeit, insbesondere Schulabgängern und Schulabgängerinnen aus Förderschulen eine Perspektive auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu geben. Dabei geht es insbesondere um Personen, für die eine berufsvorbereitende Maßnahme oder Berufsausbildung wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht in Betracht kommt (…). UB kann aber auch für solche Personen die richtige Alternative sein, bei denen sich im Laufe ihres Erwerbslebens eine Behinderung einstellt und für die heute mangels Alternativen oftmals nur die WfbM in Frage kommt.“ (Drucksache 16/10487 vom 7.10.2008, S. 10).

 

Die Maßnahme UB nach § 38a/55 SGB IX ist unterteilt in zwei Phasen: Die individuelle betriebliche Qualifizierung (InbeQ) mit dem Ziel eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses und eine ggf. erforderliche Berufsbegleitung nach Abschluss eines Arbeitsvertrages. Für die 2-3 Jahre umfassende individuelle betriebliche Qualifizierung (vgl. § 38a/55 Absatz 2 SGB IX) sind in der Regel die Agenturen für Arbeit (neben Renten- und Unfallversicherung sowie Kriegsopferversorgung/-fürsorge) die zuständigen Leistungsträger. Für eine erforderliche Berufsbegleitung (vgl. § 38a/55 Absatz 3 SGB IX) im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses sind in der Regel die Integrationsämter (neben Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung/-fürsorge) die zuständigen Leistungsträger. Eine Berufsbegleitung ist aufgrund der überwiegenden Zuständigkeit des Integrationsamtes vor allem für anerkannt schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen möglich (vgl. § 2 SGB IX). Nach Auffassung des BMAS sollte diese „rechtliche Hürde kein Problem darstellen, da der Personenkreis, auf den UB zielt, typischerweise zumindest die Voraussetzungen für einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vom Hundert aufweist“ (W. Rombach, Ministerialdirigent des BMAS, Zeitschrift SGb 02/09, S. 63). Dies zeigt an, dass ggf. eine entsprechende Anerkennung der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung zu beantragen ist. Zwischenzeitlich hat sich herausgestellt, dass für Personen ohne Schwerbehindertenstatus durchaus ein Problem besteht, wenn sie eine Berufsbegleitung benötigen, für die in der Regel ein Leistungsträger fehlt. Hier gilt es noch, adäquate Lösungen zu finden.

 

Durch die Einführung von § 38a/55 SGB IX ist zwischen der gesetzlich verankerten Maßnahme und dem Konzept der Unterstützten Beschäftigung zu unterscheiden. Letzteres ist umfassender. Darauf verweist auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in der impulse 01 / 2009, Nr. 49, Seite 9: „So ist etwa der Ansatz der Unterstützten Beschäftigung, wie ihn die BAG UB vertritt, weiter als der in § 38a SGB IX“ (Dr. Peter Mozet, BMAS). Das Konzept Unterstützte Beschäftigung zielt auf bezahlte Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes, auch dann, wenn ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht erreicht werden kann.

 

Durch die gesetzliche Verankerung der Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ wird im positiven Sinne ein Personenkreis anerkannt, dessen Leistungsspektrum zwischen WfbM und allgemeinem Arbeitsmarkt liegt. Die gesetzlichen Grundlagen greifen wichtige Inhalte des Konzepts Unterstützte Beschäftigung auf. Viele Elemente des Konzepts wurden bereits weit vor der Diskussion um das neue Gesetz von verschiedenen Angeboten der beruflichen Rehabilitation übernommen, auch wenn nicht immer unter diesem Begriff.

 

Prinzipien und Inhalte des Konzepts Unterstützte Beschäftigung finden sich z.B. in der Berufsorientierung in Schulen, in betrieblichen Ausbildungskonzepten der Berufsbildungswerke, in Übergangskonzepten der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (einschließlich Außenarbeitsplätze), in Integrationskonzepten psychiatrischer Dienstleistungsanbieter, in Integrationsfirmen und im besonderen Maße in der Aufgabenbeschreibung der Integrationsfachdienste (IFD).

 

Ungeachtet verschiedener Kritikpunkte, die die BAG UB in mehreren Stellungnahmen im Rahmen der Gesetzgebung – insbesondere zum Ausschreibungsverfahren - deutlich gemacht hat, ist das neue Gesetz ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf. Damit steht ein Angebot flächendeckend zur Verfügung, welches vorher nur in wenigen Regionen umgesetzt werden konnte. Die Arbeit der BAG UB und ihrer Kooperationspartner war somit erfolgreich!

 

Weitere Bausteine des Konzepts Unterstützte Beschäftigung können zukünftig genutzt werden, um ein umfassendes und an den Leitlinien der UN-Behindertenrechtskonvention ausgerichtetes Gesamtkonzept zur Teilhabe am Arbeitsleben zu entwickeln und die Verwirklichung der Ziele „Selbstbestimmung“ sowie „Wunsch- und Wahlrecht“ des SGB IX zu konkretisieren.

 

Bei der Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ nach § 38a/55 SGB IX gilt es, den Umsetzungsprozess - inklusive der Ausschreibungspraxis - fachlich-kritisch zu begleiten sowie eine hohe Qualität des Unterstützungsangebots sicher zu stellen. Hierzu steht die BAG UB als kompetenter Ansprechpartner allen Beteiligten gerne zur Verfügung!

 

Download: Gesetz zur Einführung Unterstützter Beschäftigung (298 KB)

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) stellt/e zur Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ nach § 38a/55 SGB IX verschiedene Informationen bereit. Die folgende Sammlung enthält insbesondere wichtige Dokumente aus den ersten Jahren der Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ nach § 38a/55 SGB IX:

 

Den zum Start der Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ nach § 38a/55 SGB IX veröffentlichte Flyer UB des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) finden Sie hier: Download Flyer UB des BMAS

 

Umsetzung „Unterstützter Beschäftigung" nach § 38a/55 SGB IX - Grundlagen und Fragestellungen aus der Anfangsphase

Im Folgenden werden verschiedene Grundlagen und Fragestellungen aus der Anfangsphase der Maßnahme UB anhand verschiedener Gliederungspunkte beschrieben. Hierbei steht die individuelle betriebliche Qualifizierung (InbeQ) nach § 38a/55 Absatz 2 SGB IX im Mittelpunkt der Betrachtung:

  1. Gemeinsame Empfehlung „Unterstützte Beschäftigung“
  2. Vermittlung berufsübergreifender Lerninhalte und Schlüsselqualifikationen
  3. Regelungen zur Sozialversicherung
  4. Start der Maßnahme: Ausschreibung und Persönliches Budget
  5. Fortlaufende Vergabe der Maßnahme
  6. Kritische Anmerkungen zur Ausschreibung
  7. Information und Weiterbildung
  8. Erste Rückmeldungen aus der Praxis
  9. UB-Umfrage der BAG UB

1. Gemeinsame Empfehlung „Unterstützte Beschäftigung“

Zur Sicherung der fachlichen Qualität wurde zwischen April 2009 und November 2010 die Gemeinsame Empfehlung „Unterstützte Beschäftigung“ (GE UB; vgl. § 38a SGB IX, Absatz 6) im Rahmen einer Fachgruppe unter Federführung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) mit den zuständigen Leistungsträgern und verschiedenen Verbänden, u.a. der BAG UB, erarbeitet und in den zuständigen Gremien verabschiedet. Die GE UB trat anschließend am 1. Dezember 2010 in Kraft. Die GE UB enthält neben fachlichen Anforderungen für Leistungsanbieter auch Regelungen zur Zusammenarbeit der Leistungsträger. Die BAG UB brachte insbesondere die langjährigen Praxiserfahrungen sowie die Qualitätskriterien des europäischen Dachverbandes für Unterstützte Beschäftigung ein (EUSE – European Union of Supported Employment). Die Arbeit der Fachgruppe soll nach Inkrafttreten der GE UB punktuell (mindestens jährlich; vgl. § 15 Abs. 3 GE UB) fortgeführt werden, um die zukünftige Umsetzung des § 38a SGB IX unter qualitativen Kriterien zu beobachten. Die GE UB kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass in der Praxis der Maßnahme UB die fachlichen Standards in ausreichendem Maße angewendet werden, um an die bisherigen Erfolge der ersten Anbieter der UB anzuknüpfen (z.B. Access, Hamburger Arbeitsassistenz oder Boxdorfer Werkstatt in Nürnberg). Gleichzeitig wird es von Bedeutung sein, z.B. neue Erfahrungen mit bisher kaum erreichten Zielgruppen auszuwerten (wie Menschen mit Autismus oder psychischer Erkrankung). Zudem sollte in strukturschwachen bzw. ländlichen Regionen (z.B. geringere Betriebsdichte, lange Fahrtwege zu den Betrieben sowie eingeschränkte Mobilität durch kaum vorhandenen Öffentlichen Nahverkehr), die Angebotsgestaltung geprüft und ggf. optimiert werden. Insgesamt gilt es, eine erfolgreiche Praxis kontinuierlich aufzubauen und weiter zu entwickeln.

 

Die Standards können zudem hilfreich für potentielle Nutzer/innen des Persönlichen Budgets sein, um ihnen die Auswahl qualifizierter Anbieter zu erleichter


2. Vermittlung berufsübergreifender Lerninhalte und Schlüsselqualifikationen

Es ist nach Auffassung der BAG UB sehr bedeutsam, dass der Gesetzesentwurf in § 38a/55 Absatz 2 SGB IX darauf verweist, dass die Leistungen der individuellen betrieblichen Qualifizierung auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit des behinderten Menschen umfasst. Dies macht deutlich, dass sowohl die spezifischen arbeitsplatzbezogenen Tätigkeitsinhalte als auch die allgemeinen berufsbezogenen Bildungsinhalte gleichberechtigt nebeneinander stehen. Es geht somit nicht darum, eine verengte, lediglich auf eine ganz bestimmte Arbeitsanforderung ausgerichtete Qualifizierung durchzuführen. Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten haben gezeigt, dass sie durchaus in der Lage sind, sich übergreifende Schlüsselqualifikationen anzueignen, die in verschiedenen Tätigkeiten und Betrieben relevant sind (z.B. kritische Kontrolle der Arbeitsergebnisse oder die Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Rechten als Arbeitnehmer/in). Oftmals haben behinderte Menschen besondere Fähigkeiten z.B. in den Bereichen soziale Kompetenz, Ausdauer, Genauigkeit und Zuverlässigkeit.

 

Exkurs: Aus der Praxis

Sowohl die Hamburger Arbeitsassistenz als auch die ACCESS Integrationsbegleitung Erlangen orientierten sich im Rahmen ihrer Angebote zur Unterstützten Beschäftigung am Prinzip der dualen Berufsausbildung. Die berufliche Qualifizierung erfolgt überwiegend in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes und wird durch die Inhalte des berufsorientierenden Unterrichts wesentlich ergänzt (z.B. berufsübergreifende Lerninhalte, Schlüsselqualifikationen und Persönlichkeitsentwicklung). Der Unterricht findet i.d.R. an 1-2 Tagen in der Woche statt. Zwischen den betrieblichen und schulischen Lernsituationen sollen inhaltliche Verknüpfungen hergestellt werden, d.h. der Unterricht ist auf die betrieblichen Anforderungen abzustimmen (Lernortkoordination und Lernortkooperation). Dabei kann der berufsorientierende Anteil eigenständig angeboten oder in bestehende schulische Strukturen integriert werden (wie Berufsschule, erweiterte Werkstufe der Sonderschule, Volkshochschule).

 

Auf Grund des Umstandes, dass die Teilnehmenden in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern tätig sind und darüber hinaus der Praktikumsbetrieb im Verlauf der Maßnahme u.U. mehrfach gewechselt wird, ist ein fachspezifischer berufsorientierender Unterricht wenig sinnvoll. Erforderlich ist ein Lehrplan, der an konkreten Erfordernissen, Fragestellungen und Lernmotivationen aus den betrieblichen Anforderungen anknüpft. Damit können allgemeine Themen wie „Arbeitnehmerrolle“, „betriebliche Hierarchien“, „betriebliches Sozialverhalten“ sowie differenzierte Angebote für spezifische Anforderungen wie „Hygieneregel“ „Unfallverhütung“ etc. im Unterricht bearbeitet, sowie Kompetenzen im Rechnen, Lesen und Schreiben trainiert werden.

 

Darüber hinaus erfüllt die Zusammenführung der Teilnehmenden für eine begrenzte Zeit zu einer Lerngruppe eine andere wesentliche Funktion: Für die Teilnehmenden ist die betriebsübergreifende Qualifizierung der Ort, an dem sie sich als Personen im gleichen Alter, in der gleichen beruflichen Situation und auch in einer vergleichbaren Phase der persönlichen Entwicklung treffen. Was auf nicht behinderte junge Erwachsene zutrifft, gilt in gleichem Maße auch für junge Erwachsene mit Behinderung: Im Übergang zum Erwachsenendasein spielt die Gruppe der Gleichaltrigen als Orientierungshintergrund bei der Herausbildung von Identität, Wertmaßstäben und Sozialverhalten eine herausragende und prägende Rolle.  


Nicht zuletzt aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Gestaltung der beschriebenen Angebote, hat die BA in ihren Standards (siehe Leistungsbeschreibung in den Vergabeunterlagen) so genannte Projekttage eingefordert, die auch in den Anforderungskatalog der GE UB aufgenommen wurden (§ 4 Abs. 7).

 

Es hat sich bereits in der Vergangenheit bewährt, dass die Teilnehmenden Erfahrungen in verschiedenen Tätigkeitsfeldern machen, unterschiedliche Betriebsstrukturen kennen lernen und die gewonnenen Erkenntnisse reflektieren. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass konkrete Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten vorliegen, um letztendlich den am besten geeigneten Arbeitsplatz zu „finden“. Die Erfahrungen zeigen, dass dazu in der Regel mehrere Praktika in verschiedenen Berufsbereichen erforderlich sind. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die individuelle betriebliche Qualifizierung (InbeQ) keine zeitlich verkürzte Maßnahme sein darf, sondern individuell ausreichende Erprobungsräume zu ermöglichen sind. Die zeitliche Dauer der InbeQ ist mit bis zu zwei Jahren (plus ggf. Verlängerung um ein Jahr) angegeben. Zwar kann im (eher seltenen) Einzelfall durchaus ein Arbeitsvertrag relativ schnell abgeschlossen werden. Zu hinterfragen ist jedoch, ob dann die Entwicklung der so genannten Schlüsselqualifikationen und Persönlichkeitsmerkmale ausreichend berücksichtigt wurde.


3. Regelungen zur Sozialversicherung

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat zum 20. Juli 2009 die HEGA 07/2009 (Handlungsempfehlung und Geschäftsanweisung) zur Sozialversicherung (SV) bei UB herausgegeben. Danach erfolgt die Anmeldung zur SV sowohl bei Teilnehmenden mit Ausbildungs- als auch Übergangsgeld ab sofort durch die BA. Die BA übernimmt in beiden Fällen direkt die Beitragszahlung. UB-Anbieter leisten somit keine SV-Beiträge vor (wie vor Inkrafttreten der HEGA 07/2009 bei Teilnehmenden mit Ausbildungsgeld üblich), so dass eine Erstattung der Beitragszahlung nicht mehr erforderlich ist. Die HEGA 07/2009 enthält auch Hinweise zur Versicherungspflicht, zur Beitragshöhe und zum Meldeverfahren für die Inanspruchnahme von Leistungen durch das Persönliche Budget.

 

Ergänzend zu der HEGA 07/2009 gab die BA im September 2009 die HEGA 09/2009 heraus, die u.a. Hinweise zur Arbeitslosenversicherung bei der Maßnahme UB aber auch beim Persönlichen Budget enthält. Danach sind Teilnehmende der Maßnahme UB nicht pflichtversichert in der Arbeitslosenversicherung:

Personen, die an einer Maßnahme der Unterstützten Beschäftigung teilnehmen, sind nicht pflichtversichert in der Arbeitslosenversicherung. Der Gesetzgeber betrachtet eine Maßnahme der Unterstützten Beschäftigung nicht als eine Maßnahme der Befähigung zur Erwerbstätigkeit im Sinne von § 26 Absatz 1 Nr. 1 SGB III. Aus diesem Grund wurde die Unterstützte Beschäftigung explizit in § 1 Nr. 3 SGB VI aufgenommen, um die Rentenversicherungspflicht festzulegen. In § 26 Absatz 1 Nr. 1 SGB III wurde die Unterstützte Beschäftigung nicht aufgenommen, entsprechend liegt keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung vor.

 

Zur Umstellung von SV-Meldungen und Beitragszahlung enthält die HEGA 09/2009 folgende Hinweise: „Sollten vor Erlass der HEGA 07/2009 in Fällen der Unterstützten Beschäftigung seitens des Maßnahmeträgers die Versicherungspflicht gemeldet und die SV – Beiträge gezahlt worden sein, so ist die Rückabwicklung zur Vermeidung von Doppelmeldungen und Doppelzahlungen in Absprache mit den Maßnahmeträgern vorzunehmen. Dabei ist im Einzelfall festzulegen, für welche Zeiträume die Meldungen (Krankenkassen und Rentenversicherungsträger) und Beitragszahlungen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung vom Maßnahmeträger bzw. von der AA (Agentur für Arbeit) vorzunehmen sind. Soweit es bei der Beitragszahlung und Meldung durch den Maßnahmeträger bleibt, sind ihm die Beiträge vollständig zu erstatten. Dies gilt ggf. auch für Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.“


4. Start der Maßnahme: Ausschreibung und Persönliches Budget

Für 134 von insgesamt 180 Lose (Regionen vergleichbar den Agenturbezirken) erteilte die BA bis zum Sommer 2009 den Zuschlag an die ausgewählten UB-Antragsteller. In 46 Regionen waren somit zum Start der Maßnahme UB die Verfahren noch offen (Nachprüfung), so dass sich der Beginn von UB in diesen Regionen verzögerte.

 

Davon wurden in 22 Fällen neue Ausschreibungsverfahren im Anschluss eines Urteils des Bundeskartellamtes durchgeführt. Bei dem Urteil ging es vor allem darum, Bewerbungen von WfbM als UB-Träger nicht indirekt durch die Beschreibung der Zielgruppe auszuschließen. Die von einigen WfbM eingereichten Rügeverfahren waren somit erfolgreich.

 

Die restlichen 24 Verfahren waren von den zuständigen Oberlandesgerichten zu klären. Hier ging es u.a. um die Frage der Vergütung: Die BA garantiert dem Auftragnehmer eine Vergütung in Höhe von 70% des Kontingents an Teilnehmermonaten. Diese Vergütung erfolgt unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme. Teilnehmermonate oberhalb von 70% des Kontingents werden von der BA nach tatsächlicher Inanspruchnahme vergütet. Dieses so genannte Ausfallrisiko der Bieter, d.h. es werden womöglich nicht alle Teilnehmermonate genutzt, in Höhe von 30% wurde von der Vergabekammer des Bundeskartellamtes als unzulässig, da zu hoch, bezeichnet. Dies nicht zuletzt auch auf dem Hintergrund, dass der Bieter in jedem Fall zu 100% qualifiziertes Personal vorhalten muss. Ein Risiko von maximal 15% wurde als vergaberechtskonform bezeichnet. Gegen dieses Urteil hatte die BA Widerspruch eingelegt. Leider erfolgreich laut Urteil des Oberlandesgerichts in Düsseldorf am 18.11.09. Danach bleibt es bei der 70%Risikoregelung für die Bieter.

 

Nach Auffassung der BAG UB benachteiligt diese Regelung insbesondere Bieter „kleiner“ Organisationen, die ein solches Risiko wirtschaftlich kaum tragen können und erschwert bzw. verhindert somit deren Beteiligung am Ausschreibungsverfahren. Insgesamt ist zu kritisieren, dass ausgerechnet Sozialunternehmen eine besondere Liquiditätsbelastung im Rahmen der Ausschreibung eines öffentlichen Auftraggebers zu tragen haben.

 

Zur grundsätzlichen Kritik an den Ausschreibungsverfahren siehe die Stellungnahmen der BAG UB, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erstellt wurden. Diese Kritik hat nach wie vor ihre Gültigkeit (vgl. auch unten: Kritische Anmerkungen zur Ausschreibung).

 

Aufgrund der noch offenen Ausschreibungsverfahren gab die BA im Juli 2009 folgenden Hinweis an alle Agenturen:

 

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) teilt in der E-Mail-Info zur Ausführung von UB durch ein Persönliches Budget vom 14.07.09 mit:

„Bedingt durch Entscheidungen der Vergabekammern des Bundeskartellamtes konnte in sechs Regionaldirektions-Bezirken (Baden-Württemberg, Nord, Rheinland-Pfalz-Saarland, NRW, Hessen und Sachsen-Anhalt-Thüringen) für insgesamt 46 Agenturen der Zuschlag für die Durchführung der ‚Unterstützten Beschäftigung‘ nicht zum vorgesehenen Termin erteilt werden; nach derzeitiger Einschätzung kann insoweit nicht vor Herbst 2009 von einer endgültigen rechtlichen Klärung ausgegangen werden. Die Frage nach Umsetzung des Rechtsanspruchs auf „Unterstützte Beschäftigung“ in den betroffenen AA (Agenturen für Arbeit) wurde an die BA herangetragen.

 

Die BA hat ein hohes geschäftspolitisches Interesse, die Beschäftigungschancen von Menschen mit Behinderung im allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhöhen. Die bundesweit erfolgreiche Einführung der neuen Leistung ‚Unterstützte Beschäftigung‘ leistet hierfür einen wichtigen Beitrag. Deshalb ist mit dem Einkauf abgestimmt, dass der durch rechtliche Einwendungen verzögerte Einkaufsprozess schnellstmöglich fortgeführt wird. Insbesondere bei (noch) fehlendem Maßnahmeangebot ‚Unterstützte Beschäftigung‘ wird dem geschäftspolitischen Interesse der BA auch durch offensive Nutzung der Leistungsgewährung durch ein Persönliches Budget Rechnung getragen. Im Gesamtergebnis ist wesentlich, dass der Rechtsanspruch auf die Leistung, der sich in dem von den AA festgestellten Bedarf widerspiegelt, vollumfänglich bereits ab dem Jahr 2009 realisiert wird.“

 

Anmerkung: In der Folge dieser BA-Weisung wurde der BAG UB bekannt, dass in einigen Regionen das PB für die Maßnahme UB durchaus verstärkt genutzt wurde.

 

Hinweis: Unabhängig von einem vorhandenen Maßnahmeangebot „Unterstützte Beschäftigung“ besteht generell der Rechtsanspruch, auf Antrag des behinderten Menschen, Leistungen nach § 38a/55 Absatz 2 SGB IX durch ein Persönliches Budget zu erbringen.

 

(Potentielle) Anbieter von UB nach § 38a/55 SGB IX können somit bei interessierten UB-Budgetnehmer_innen für ihr UB-Leistungsangebot werben und somit auch unabhängig von einer Ausschreibung UB-Teilnehmende akquirieren.

 


5. Fortlaufende Vergabe der Maßnahme

Nach Angaben der BA wurden bis Oktober 2010 bundesweit im Wege der Ausschreibung ein Kontingent von 86.881 Teilnehmermonaten eingekauft. Insgesamt können mit diesem Volumen 3.620 Teilnehmende innerhalb der Vertragslaufzeit von 24 Monaten gefördert werden. Bis Ende Oktober 2010 sind ca. 3.300 Eintritte in InbeQ (vgl. § 38a Absatz 2 SGB IX) zu verzeichnen.

 

Nach Angaben der BA erfolgte im Januar 2011 die dritte umfangreichere Ausschreibung nach § 38a SGB IX. Danach wurden weitere 43.968 Teilnehmermonate (= 1.832 Plätze/Teilnehmende) zur Verfügung gestellt.

 

Im Januar 2012 erfolgte die vierte bundesweite Ausschreibung nach § 38a SGB IX durch die BA. Danach wurden 23.208 Teilnehmermonate (= 967 Plätze/Teilnehmende) zur Verfügung gestellt.

 

Im April 2013 erfolgte die fünfte bundesweite Ausschreibung nach § 38a SGB IX durch die BA. Danach wurden 24.336 Teilnehmermonate (= 1.014 Plätze/Teilnehmende) zur Verfügung gestellt.

 

Hinzu kommen seit Mai 2009 nicht näher quantifizierbare Plätze, die über ein persönliches Budget (ohne Vergabeverfahren) eingekauft wurden.

Weitere Ausschreibungen wurden in den Folgejahren durchgeführt. Sie sind hier nicht mehr im Einzelnen dokumentiert, zumal die Bundesagentur für Arbeit seit 2011 zunehmend die vertraglichen Verlängerungsoptionen nutzt, die bis zu zweimal im Rahmen einer ausgeschriebenen UB-Maßnahme herangezogen werden können.


6. Kritische Anmerkungen zur Ausschreibung

Die BAG UB hat nicht zuletzt aufgrund negativer Beispiele in der Vergangenheit eine kritische Haltung gegenüber Ausschreibungen. Hierzu einige grundsätzliche Anmerkungen:

  • Die Erfahrungen zeigen, dass in der Ausschreibung von Maßnahmen bzw. Leistungen die Gefahr liegt, dass die Vergabe in erster Linie aufgrund des Preisangebotes erfolgt. Fachliche Qualität und nachhaltige Wirkung von Leistungen erfordern jedoch qualifiziertes Personal und eine ausreichende Unterstützungsdauer bzw. –intensität. Dies ist nicht für jeden Preis leistbar. Anbieter lassen sich jedoch auf zu niedrige Preisgestaltung ein, um überhaupt Maßnahmen im Rahmen von Ausschreibungen erfolgreich zu akquirieren. So entsteht eine Preisspirale nach unten, wodurch letztlich nicht die erforderliche Fachlichkeit gewährleistet werden kann. Häufige Anbieterwechsel haben eine geringere Qualität zur Folge, da fachliche Standards erst wieder aufgebaut und erfolgswirksame Vernetzungen jeweils neu gestaltet werden müssen.
  • Durch eine Ausschreibung ist zudem ein Wechsel des Anbieters im Übergang von der Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ in den ersten zwei Jahren (individuell betriebliche Qualifizierung) in die Phase der Begleitung (nach Abschluss eines Arbeitsvertrages) eher wahrscheinlich. Ausschreibungen verschärfen somit die im gegliederten Rehabilitationssystem ohnehin vorhandene Schnittstellenproblematik!
  • Ein solcher Wechsel bietet zudem nicht die oftmals erforderliche Kontinuität der fachlichen Unterstützung durch vertraute Ansprechpartner/Fachdienste – sowohl für Menschen mit Behinderung als auch für Arbeitgeber. Auch die Betriebswirtschaftslehre begründet, dass Dienstleistungen von den Kunden in der Regel nur durch bereits erfahrene vergleichbare Angebote (Erfahrungsgüter) oder durch Vertrauen auf den Anbieter (Vertrauensgüter) beurteilt werden können. Bedeutsam sind diese Kriterien insbesondere auch dann, wenn die Leistung UB mit Hilfe eines Persönlichen Budgets von Menschen mit Behinderung eingekauft werden soll. Häufige Anbieterwechsel erschweren erheblich die Entscheidung für den „richtigen“, d.h. qualitativ besten Anbieter.
  • Zudem ist festzuhalten: Ausschreibungen sind kein Instrument der Qualitätssicherung. Sie sollen lediglich ermöglichen, dass die am besten geeigneten Anbieter ausgewählt werden können. Erfolgen häufige Wechsel der Anbieter, zeugt dies vor allem von unzureichenden fachlich-qualitativen Auswahlkriterien des Auftraggebers. Dies gefährdet den erforderlichen Kompetenzaufbau regionaler Angebote, der letztendlich erst durch langjährige Erfahrungen zu erreichen ist. Die „richtige“, d.h. fachlich begründete Wahl des Anbieters setzt ausreichend qualitative und prüfbare Kriterien im Sinne der Zielstellung und Zielgruppe des geplanten Angebots voraus. Es greift jedoch zu kurz, wenn diese lediglich auf dem Papier stehen. Unbedingt erforderlich ist es, diese zu prüfen und zwar direkt vor Ort beim Anbieter – im Zweifelsfall bereits bei der Vergabe und insbesondere bei der Umsetzung des Angebots. Den Diensten ist dabei die Möglichkeit einzuräumen ihre Leistungen durch gezielte Rückmeldungen und Auswertungen (Audit) kontinuierlich zu verbessern. Erst bei mehrmaliger unzureichender Zielerreichung (vor allem in mehreren Arbeitsfeldern) ist ein Trägerwechsel sinnvoll und rechtfertigt den erneuten Aufwand des Kompetenzaufbaus.

 

Peter Clever, Vertreter der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit, kritisierte die Ausschreibungspraxis der BA auf einer Podiumsdiskussion am 10.02.09 in Essen ebenfalls sehr deutlich:

 

„Ich möchte dazu gern ein ganz klares Bekenntnis ablegen. Sie können das übrigens in den Protokollen der Verwaltungsratssitzungen der Bundesagentur auch nachlesen. Ich halte die Ausschreibungsmanie, die Platz gegriffen hat, für kontraproduktiv. Ich weiß, dass das Wettbewerbselement wichtig ist, gerade wenn man Kosten im Blick hat. Aber wenn man Kosten und Qualität in den Blick nimmt, dann kann das Ergebnis von Ausschreibungsmanie dazu führen, dass man nach dem Prinzip verfährt, `ich möchte sparen, koste es, was es wolle!´ (…)“

 

Im Rahmen der Ausschreibung der Maßnahme UB nach § 38a/55 SGB IX im Frühjahr 2009 durch die BA lagen der BAG UB Hinweise vor, dass die Vergabekriterien aus den Verdingungsunterlagen bundesweit nicht einheitlich angewandt wurden. Eine Mitglieder-Umfrage der BAG UB weist darauf hin, dass eher Angebote zwischen 800,- € und 1.000,- € als zwischen 1.001,- € und 1.200,- € (pro Teilnehmermonat) den Zuschlag bekommen haben. Es ist jedoch weder davon auszugehen, dass preishöhere Angebote eine mindere Qualität bedeuten, noch, dass in diesen Regionen in jedem Fall der preisgünstigere Anbieter auch der qualitativ bessere ist. Auch wenn die Zahlen hier keine allgemein gültigen Aussagen zulassen, so sollte die Vergabepraxis geprüft werden, um eine ungleiche Anwendung der Kriterien zu vermeiden.

 

Dies ist auch unter dem Aspekt von Bedeutung, dass die in der Ausschreibung erzielten – z.T. deutlich unterschiedlichen – Monatspauschalen, direkte Auswirkungen auf die Höhe des Persönlichen Budgets haben, wenn ein/e Teilnehmer/in einen anderen Anbieter als den per Ausschreibung ausgewählten nutzen möchte. Die entscheidende Frage lautet: Ist es zulässig, dass die im Ausschreibungsverfahren erzielten Pauschalen, die auf der spezifischen Kostenstruktur des Anbieters basieren, maßgeblich für die individuelle Bedarfsermittlung beim Persönlichen Budget (PB) sind? In Einzelfällen sind nach Informationen der BAG UB durchaus höhere Vergütungen beim PB im Vergleich zum Ausschreibungsverfahren in der entsprechenden Region verhandelt und bewilligt worden. Dies entspricht der gesetzlichen Anforderung an die Leistungsträger, Persönliche Budgets so zu „bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann“ (SGB IX § 29 Absatz 2). Die Möglichkeit in begründeten Fällen höhere Beträge als in den vergleichbaren Sachleistungen auszuhandeln ist also durchaus auch gesetzlich gegeben, wird aber in der Praxis dadurch eingeschränkt, dass die Leistungsträger die „Soll-Bestimmung“ des § 29 (Persönliche Budgets sollen die Höhe bisheriger Leistungen nicht überschreiten) bislang i.d.R. sehr restriktiv auslegen (Deckelung der Beträge).

 

Aus den genannten Gründen ist zu hinterfragen, warum im Rahmen der Ausschreibung die Vorgabe eines Preiskorridors (interne Kalkulationen der BA liegen vor) und eine Tarifbindung zur Kalkulation der Personalkosten nicht genutzt wurden. Vergaberechtlich wäre dies möglich gewesen und hätte eher verhindern können, dass Angebote mit erheblichen Preisunterschieden den Zuschlag bekommen haben. Wie ist das zu begründen und warum ist UB trotz eines Personalschlüssels von 1:5 und der individuellen betrieblichen Qualifizierung deutlich kostengünstiger als der Berufsbildungsbereich einer WfbM (Gruppenangebot und Personalschlüssel von 1:6)? Die genannten Fragen verweisen auch hier auf die Notwendigkeit einer qualitativen Prüfung der Vergabepraxis und deren Auswirkungen auf die Zielsetzung von § 38a/55 SGB IX. Dies gilt umso mehr, da auch das BMAS davon ausgeht, dass „der Qualifizierungsaufwand in Maßnahmen der UB mit dem im Berufsbildungsbereich von WfbM vergleichbar ist“ (Rombach, 2009, S. 64).

 

Letztlich wird es jedoch äußerst schwierig sein, alle qualitativen Aspekte zu prüfen und zu bewerten, wie z.B. die Anforderung einer ausreichenden Vernetzung in der Region mit Betrieben und wichtigen Kooperationspartnern. Entscheidend ist neben einem in erster Linie an qualitativen Kriterien ausgerichteten Vergabeverfahren, die fachlich hochwertige Umsetzung der Maßnahme UB in Orientierung an bewährten Standards. Aus Diskussionen auf verschiedenen Veranstaltungen, an denen die BAG UB beteiligt war bzw. die wir selbst durchgeführt haben, geht hervor, dass verschiedene Anbieter der UB durchaus noch Fragen an die Durchführung der Maßnahme haben. Dies betrifft insbesondere das so genannte Job Coaching im Betrieb, da eine solche Unterstützung in der Regel vor Einführung der Leistung UB aufgrund fehlender Ressourcen in anderen Maßnahmen nicht möglich war und daher bei vielen Anbietern keine bzw. eher geringe Erfahrungen vorliegen. Es ist daher sicher zu stellen, dass eine betriebliche Unterstützung im Sinne des Job Coaching tatsächlich durchgeführt wird. Andernfalls würde sich die Maßnahme UB kaum von bisherigen Angeboten unterscheiden, und somit auch nicht die zentralen Erfolgsmerkmale für einen möglichst dauerhaften Übergang in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis beinhalten. Die Relevanz und qualitative Besonderheit der betrieblichen Unterstützung der Maßnahme UB betont auch das BMAS: „UB zielt auf behinderte Menschen, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, ohne Hilfe eine Beschäftigung aufzunehmen. Ihr ausschließliches Vermittlungshemmnis ist die Schwere der Behinderung. Daher erhalten sie im Gegensatz zu den neuen Instrumenten der Beschäftigungsförderung beim Erlernen aller einzelner Arbeitsschritte die Hilfe eines externen Betreuers (Job Coaching)“ (Rombach, 2009, S. 65).


7. Information und Weiterbildung

Die BAG UB hat - in Kooperation mit bewährten Anbietern der UB - zum Thema fachliche Standards zwischen Mai 2009 und Juni 2010 parallel zum 1. Jahr der Maßnahme UB sechs Fachtage zur „Einführung in das Konzept Unterstützte Beschäftigung“ mit jeweils 40-50 Teilnehmenden an bundesweit verschiedenen Standorten durchgeführt. Die BAG UB engagiert sich, die Standards Unterstützter Beschäftigung an alle Interessierte weiter zu geben, nicht zuletzt auch mittels unserer berufsbegleitenden Weiterbildung „Integrationsberatung nach dem Konzept Unterstützte Beschäftigung“, die seit 1998 abgeboten und fortlaufend weiter entwickelt wird.

 

Zur Sicherung der fachlichen Qualität kann nun die Anwendung der GE UB (s.o.) nach § 38a/55 SGB IX Absatz 6 eine besondere Rolle spielen. Hierbei ist auch zu beachten, wie die Zugänge zur Maßnahme UB durch die Leistungsträger gesteuert werden, inwieweit bestehende Bedarfe zu decken und wie die Übergänge in eine erforderliche Berufsbegleitung zu organisieren sind. Langfristig ist die Nachhaltigkeit im Sinne des Verbleibs in Beschäftigung und der Arbeitsplatzsicherung von besondere Bedeutung.

 

Die Themen Qualitätsstandards, Vernetzung, Fachaustausch und Nachhaltigkeit waren/sind Bestandteil der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten UB-Projekte der BAG UB "Fachkompetenz in Unterstützter Beschäftigung" (2011-2014) und "Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung" (2015-2018). Siehe: www.bag-ub.de/projekte/fub


8. Erste Rückmeldungen aus der Praxis

Im Folgenden sind einige Ergebnisse eines regionalen Treffens zwischen UB-Anbietern und Agenturen für Arbeit im Oktober 2009 zusammengefasst:

  • Erwartungen der Arbeitsagenturen (AA) an UB: Übereinstimmend wurde betont, das neue Instrument fülle eine Lücke, die zuvor (schmerzlich) vorhanden war. Die Erwartungen und Hoffnungen hinsichtlich Alternativen zur WfbM und hinsichtlich einer tatsächlichen Vermittlung sind groß.
  • Zuweisungskriterien: Zum einen wurde seitens der AA auf die zentrale Rolle des medizinischen und psychologischen Dienstes des AA hingewiesen. Zum anderen würden vorausgehende Praktikumserfahrungen in Betrieben und Stellungnahmen der Praktikumsbetriebe berücksichtigt, sofern sie bekannt sind. DIA-AM spielte zwar in einigen Fällen bei der Zuweisung eine Rolle, wird bislang aber offenkundig nicht systematisch einer Zuweisung "vorgeschaltet".
  • Bedarfseinschätzung: Übereinstimmend wurde eingeräumt, der Bedarf sei höher als anfänglich erwartet. Zum Teil bestehen daher bereits Wartelisten. Diesen Bedarfen kann mangels bereitstehender Mittel nicht immer nachgekommen werden.
  • Dauer der einzelnen Phasen (Orientierung/Einstieg, Qualifizierung, Stabilisierung): Hier berichteten die AA-Vertreter_innen über die Erfahrung, dass es möglich sein müsse, die als Rahmen vorgegebene Dauer der einzelnen Phasen im konkreten Einzelfall - insbesondere hinsichtlich der ersten, der Orientierungs-/ Einstiegsphase - gewissermaßen innerhalb eines Korridors flexibel an die persönlichen Voraussetzungen anzupassen, d.h. auch zu erweitern. Es blieb offen, wo genau die Grenze dieser Anpassung zu setzen sei.
  • UB über Persönliches Budget: Von den anwesenden AA-Vertreter_innen einhellig als „selbstverständlich möglich“ bezeichnet. Unter welchen Bedingungen im Detail und zu welchen Konditionen, wurde nicht weiter erörtert.
  • Fazit: Die AA-Vertreter_innen äußerten sich ausdrücklich positiv über die bisher geleistete Arbeit und das Engagement der UB-Mitarbeiter_innen, insbesondere bezeichneten sie es als „überraschend“, dass es so schnell gelungen sei, die Teilnehmer_innen in Betrieben zu platzieren.

9. UB-Umfrage der BAG UB

Die BAG UB hat ein besonderes Interesse an einer erfolgreichen Umsetzung des § 38a/55 SGB IX „Unterstützte Beschäftigung“ (UB). Zur Erhebung entsprechender Informationen haben wir in den Jahren 2009-2011 eine Umfrage unter den Mitgliedern der BAG UB und ab dem Jahr 2012 jährlich eine bundesweite Umfrage durchgeführt.

 

Die Befragung hat das Ziel sowohl Erkenntnisse zu teilnehmerbezogenen Angaben als auch zur Durchführung zu erfassen, um damit Hinweise zur fachlichen Umsetzung und Weiterentwicklung der Maßnahme UB zu bekommen.

 

Die kompletten Auswertungsergebnisse mit Kommentar finden Sie hier:
Endauswertung Mitgliederumfrage BAG UB zur Umsetzung von § 38a SGB IX

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Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention setzen wir uns für einen zugänglichen, offenen und inklusiven Arbeitsmarkt ein. Wir beraten und informieren zu verschiedenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Hilfe unseres bundesweiten Netzwerks kompetenter Ansprechpartner_innen.
 

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Für Fach- und Leitungskräfte der beruflichen Teilhabe bieten wir auf der Basis der Konzepte Unterstützte Beschäftigung und Jobcoaching am Arbeitsplatz ein vielfältiges Weiterbildungsangebot zur Inklusion in Arbeit an. Dabei gewährleisten wir einen hohen fachlichen Standard.

 

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Als bundesweites Netzwerk für zentrale Themen zur Teilhabe am Arbeitsleben verfolgen wir das Ziel, Selbstbestimmung und Wahlmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen sowie ihre umfassende Teilhabe an der Gesellschaft zu sichern.

 

 

 

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